Beschreibung
Verbundkonstruktionen haben eine große Bedeutung im Bauwesen. Aus Gründen des konstruktiven Brandschutzes werden in vielen Fällen die Bereiche zwischen den Gurten des Stahlträgers ausbetoniert, dann liegen kammerbetonierte Verbundträger vor. Für diese Verbundträger ohne Betongurt ist häufig das Biegedrillknicken, bei dem sich im Versagenszustand der Träger seitlich verschieben und gleichzeitig verdrehen kann, maßgebend für die Bemessung. Da beim Biegedrillknicken Verdrehungen auftreten, ist die Berücksichtigung der maßgebenden Torsionssteifigkeit von entscheidender Bedeutung. Wenn man für den kammerbetonierten Verbundträger nur die Torsionssteifigkeit des Stahlträgers allein ansetzt, dann liegt man auf der sicheren Seite. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es jedoch wünschenswert und notwendig, auch in Bezug auf das Biegedrillknicken den Beton rechnerisch zu berücksichtigen. Die für Stahlbetonbalken üblichen Werte können für kammerbetonierte Verbundträger in der Regel nicht angesetzt werden, da sie eine durchgehende Längsbewehrung und geschlossene Bügel voraussetzen. Außerdem muß das Zusammenwirken des Kammerbetons mit dem Stahlträger durch Verbundmittel sichergestellt werden.
Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wurden 22 Großversuche an kammerbetonierten Verbundträgern durchgeführt. Besonderes Augenmerk wurde der konstruktiven Ausbildung der Kammern gewidmet. Es zeigte sich, daß mit allen Ausführungsformen eine ausreichende Mitwirkung des Betons in bezug auf die Torsionssteifigkeit erreicht werden kann. Der Fall der Z-Haken mit Kopfbolzendübeln war besonders wirkungsvoll, der wirtschaftlich besonders interessante Fall nur Kopfbolzendübel ist jedoch ebenfalls befriedigend.
Ausgehend von den Ergebnissen der Großversuche wird als wichtigstes Forschungsergebnis ein Rechenverfahren vorgestellt, mit dem das Biegedrillknicken von kammerbetonierten Verbundträgern einfach untersucht werden kann. Zur Ermittlung der Steifigkeitswerte wird der Teil des Betons als statisch wirksam angesetzt, der im rechnerischen Versagenszustand den plastischen Druckbereich bildet. Dieser darf über die gesamte Trägerlänge konstant berücksichtigt werden.
Um die Berechnung der Tragfähigkeit anhand des vorgeschlagenen Rechenverfahrens in häufig vorkommenden Fällen zu vermeiden, werden zur Erleichterung der Anwendung in der Praxis Tragfähigkeitstabellen angeben. Hier kann die maximal aufnehmbare Streckenlast eines Einfeldträgers entnommen werden, wobei Walzprofile der Reihen IPE und HEA der Stahlsorte S355 und die Betongüte B 35 berücksichtigt wurden.
STUDIENGESELLSCHAFT STAHLANWENDUNG E.V.
Veröffentlichung:
2000
Autoren:
Prof. Dr.-Ing. J. Lindner, Dipl.-Ing. N. Budassis