Beschreibung
P 830 – Numerische Beschreibung der Schädigung beim Scherschneiden und des verbleibenden Restumformvermögens für Dualphasenstähle mithilfe der Multiskalensimulation
Getrieben von steigenden Anforderungen an Gewicht und Sicherheit neuer Fahrzeuge finden Feinbleche aus Dualphasenstählen vermehrten Einsatz im Automobilbau. Das in Bezug auf die Festigkeit und Formkomplexität eines Bauteils hohe Potenzial dieser Stahlwerkstoffe wird zurzeit jedoch nur unvollständig ausgeschöpft. Zum Teil liegt dies am geringen Formänderungsvermögen schergeschnittener Kanten, das auf die Schädigung in Form von Poren zwischen Ferrit und Martensit im Schnittkantenbereich zurückzuführen ist. Bei einer Kantenstreckung führen Zugspannungen zu einem Wachstum dieser Poren, deren Vereinigung zu Mikrorissen und schließlich zum Kantenriss. Da zurzeit keine allgemein akzeptierte Methode zur Ermittlung des Kantenformänderungsvermögens und entsprechenden Berücksichtigung in der Umformsimulation existiert, werden bei der Auslegung von Umformprozessen oft deutlich geringere Kantenformänderungen zugelassen, als Dualphasenstähle ohne Versagen ertragen können.
Das Ziel des Projektes bestand darin, einen praktikablen Weg zu erarbeiten, mit dem die durch das Scherschneiden edingten Schädigungen in Feinblechen aus Dualphasenstählen in der numerischen Simulation nachfolgender Umformoperationen berücksichtigt werden können. Somit sollte eine Abschätzung des noch verfügbaren Formänderungsvermögens des Schnittkantenbereichs mithilfe gängiger Simulationsprogramme ermöglicht werden. Im Fokus standen dabei zwei Dualphasenstähle mit einer Festigkeit von ca. 600 MPa bzw. 780 MPa und einer Stärke um 1,4 mm.
Im Projekt wurden folgende Lösungsansätze erarbeitet und untersucht: ein erweitertes Grenzformänderungsdiagramm, Schädigungsmodellierung mithilfe des am Scherschneidprozess parametrisierten Johnson-Cook- Schädigungsmodells, Schädigungsmodellierung mithilfe des an Charakterisierungsversuchen parametrisierten Johnson -Cook-Schädigungsmodells, Schädigungsmodellierung mithilfe des an Charakterisierungsversuchen parametrisierten Gurson-Tvergaard -Needleman-Schädigungsmodells, mikromechanische Schädigungsmodellierung mithilfe eines repräsentativen Volumenelements. Der Bericht stellt eine Bewertung dieser Lösungsansätze hinsichtlich ihres Aufwands auf der einen Seite und ihrer Qualität der Versagensvorhersage auf der anderen Seite dar und gibt Anregungen für zukünftige Forschungsarbeiten.
Das erweiterte Grenzformänderungsdiagramm wird als ein pragmatischer Lösungsansatz bewertet, der sofort in der Praxis umgesetzt werden kann. Zur Verallgemeinerung dieses Lösungsansatzes empfiehlt sich, in zukünftigen Forschungsvorhaben den Einfluss der Drucküberlagerung in Umformprozessen auf das Kantenformänderungsvermögen zu quantifizieren und an Charakterisierungsversuchen abzubilden. Die mikromechanische Schädigungsmodellierung wird zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund des hohen Modellierungsaufwandes ls weniger relevant für die Praxis eingestuft. Eine Weiterentwicklung dieses Lösungsansatzes erscheint jedoch vielversprechend zur Erlangung eines besseren Verständnisses mechanischer Eigenschaften von Dualphasenstählen. Die Lösungsansätze, die auf einer Übertragung der Schädigungsverteilung einer
Scherschneidsimulation auf eine Umformsimulation basieren, setzen eine gute Übereinstimmung zwischen den experimentellen und numerischen Ergebnissen des Scherschneidens voraus. Diese konnte im Projekt jedoch nicht erzielt werden. Hierzu existiert noch Forschungsbedarf bzgl. der Übertragung von experimentell ermittelten Formänderungsgrenzen auf die Scherschneidsimulation.
Das Forschungsvorhaben wurde am Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen, Leibniz Universität Hannover, mit finanzieller Unterstützung durch die Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V., Düsseldorf, aus Mitteln der Stiftung Stahlanwendungsforschung, Essen, durchgeführt.
Autoren:
B.-A. Behrens, M. Vucetic, I. Peshekhodov, M. Schneider
Veröffentlichung:
2015