Beschreibung
P 1036 – Einbringen von Hinterschnitten in hochbelastete Bauteile durch mehrdirektionales Schmieden am Beispiel von Stahlkolben
In diesem AiF-Projekt (IGF-Nr. 18162 N) wurde das Hinterschnittschmieden am Beispiel von Kolbenbolzenbohrungen für Stahlkolben untersucht. Im Unterschied zum konventionellen Schmiedeprozess für Stahlkolben, findet hierbei in der letzten Umformstufe eine mehrdirektionale Umformung statt, in der die Kolbenbolzenbohrungen, die einen Hinterschnitt darstellen, voreingebracht werden. Dazu wurde zunächst die Stadienfolge mit Hilfe von Stoffflusssimulationen virtuell entwickelt. Anschließend wurde ein Werkzeugkonzept entwickelt, um das Hinterschnittschmieden durch ein mehrdirektionales Werkzeug zu ermöglichen. Bei diesem Werkzeug fahren seitlich Stempel in das Werkstück ein und verformen dies weiter. Dieses Werkzeug wurde konstruiert und gefertigt.
Danach wurden verschiedene Schmiedeversuche erfolgreich durchgeführt und ausgewertet. Anschließend wurde die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens bewertet und ein Anwendungsleitfaden zur Entwicklung von Hinterschnittschmiedeprozessen entwickelt. In diesem Projekt konnten damit erstmals die Bolzenbohrungen in einem Stahlkolben im Schmiedeprozess vorgelocht werden. Der Vorteil dieses Verfahrens sind die Materialersparnis, verbesserte Bauteileigenschaften des Schmiedeteils und ein schnellerer und vereinfachter Nachbearbeitungsprozess gegenüber dem konventionellen Schmiedeprozess. Die Materialersparnis betrug dabei 5 % gegenüber dem Standardschmiedeprozess. Von großer Bedeutung für die Bauteileigenschaften ist voraussichtlich der angepasste Faserverlauf im Bohrungsbereich. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Möglichkeit einer beschleunigten Nachbearbeitung durch das Hinterschnittschmieden von höchster Relevanz.
Die Auslegung des Hinterschnittschmiedeprozesses unterscheidet sich lediglich in der letzten Umformstufe von konventionellen Gesenkschmiedeprozessen. Es zeigte sich, dass das vollständige Lochen des Bauteils prozesstechnisch mit zu hohem Aufwand verbunden ist, sodass der Variante eines Vorlochens der Vorzug gegeben wurde. Eine besondere Herausforderung an die Werkzeuge zum Hinterschnittschmieden sind die benötigten Schließkräfte beim mehrdirektionalen Hinterschnittschmieden. Dabei wurden die Varianten eines kraftschlüssigen (mittels Federn) und eines formschlüssigen Verschlusses (mittels Verzahnung) untersucht. Wegen des geringeren Aufwandes bei Auslegung und Fertigung wurde die Konstruktion der kraftschlüssigen Verschlussvariante weiterverfolgt. Nichtsdestotrotz verspricht die formschlüssige Variante Vorteile, da bisher unmögliche Schmiedegeometrien realisiert werden können, sodass zukünftige Untersuchungen in dieser Richtung vielversprechend erscheinen. Die Versuche zeigten, dass sowohl die Einfahr- als auch die Ausfahrbewegung der seitlichen Stempel hohe Kräfte erfordern. Insbesondere bei der Rückstellbewegung der Stempel sind entsprechend
hohe Kräfte > 20 kN zu berücksichtigen und die Werkzeuge entsprechend zu dimensionieren.
Die Auswertung der Schmiedeergebnisse zeigte, dass die Schmiedestücke im Hinterschnittbereich gut ausgeformt wurden. Der Faserverlauf der Kolben im Bohrungsbereich stellte sich als sehr günstig heraus und bestätigte die zuvor durchgeführten Simulationen. Durch einen verringerten Kerbwirkungseinfluss sind dadurch an Bohrungen, die mit Hilfe des Hinterschnittschmiedens erzeugt wurden, günstigere Dauerfestigkeitseigenschaften zu erwarten. Der Hinterschnittschmiedeprozess wurde in diesem Projekt für die Einbringung von Kolbenbolzenbohrungen verwendet. Generell eignet sich der Prozess zur Einbringung unterschiedlichster Hinterschnittgeometrien in Werkstücke bei Schmiedeprozessen.
Veröffentlichung:
2018
Autoren:
M. Stonis, J. Ross