Beschreibung
P 1259 – Einflüsse auf zeitlich verzögerte Kaltrissbildung und Festlegung der Mindestwartezeit vor der Prüfung von Schweißverbindungen aus Feinkornbaustahl
Zentrale Herausforderung für die Zukunft ist es, die Treibhausgasemission bis 2030 gegenüber 1990 um 55% zu verringern, insbesondere durch verminderte CO2-Emissionen und dem Ausstieg aus der Kohleverstromung. Für die Primärenergieerzeugung ergeben sich hier große Herausforderungen, die nur durch erneuerbare Energie zu bewerkstelligen sind. Aufgrund großer und gleichmäßiger Energieerträge wird die Energie aus Offshore-Windenergieanlagen (OWA) bei der Umsetzung dieses Ziels eine entscheidende Rolle spielen. Neben der reinen Stromerzeugung sollen diese u.a. für die Erzeugung weiterer alternativer Energieträger, wie zum Beispiel die Herstellung von grünem Wasserstoff dienen. Die für die schweißtechnische Herstellung zugrundeliegenden Regelwerke enthalten pauschale Angaben zur Mindestwartezeit (MWZ) von bis zu 48 h bevor eine zerstörungsfreie Prüfung (ZfP) der Schweißnähte erfolgen darf. Die Einhaltung dieser MWZ führt bei der Fertigung der OWA zu beträchtlichen finanziellen Belastungen.
Moderne thermomechanisch gewalzte (Offshore-)Stähle haben ein geringeres Kohlenstoffäquivalent und somit eine verbesserte Schweißbarkeit. Diese Stähle sind derzeit schon mit Festigkeiten bis 500 MPa verfügbar und lassen sich ohne Vorwärmen und bei geringer Wärmeeinbringung technisch rissfrei verarbeiten. Wartezeiten von Tagen bis zur ZfP lassen sich also nur bedingt rechtfertigen und bedürfen weiterer Klärung. Das Forschungsziel ist daher die Erarbeitung von Erkenntnissen zur Optimierung der Mindestwartezeiten bis zur zerstörungsfreien Prüfung der Schweißnähte für Stähle mit Streckgrenzen < 500 MPa. Um dies zu erreichen, wurden Schweißungen unter Variation von Wasserstoffgehalt und konstruktiver Schrumpfbehinderung (Einspanngrad) durchgeführt und hinsichtlich der Zeit bis zum Auftreten verzögerter Risse mittels Schallemissionsprüfung bzw. Phased Array Ultraschallprüfung untersucht. Unterstützt durch numerische Simulationen ließen sich mit validierten Modellen weitere Einflussfaktoren (z.B. Wärmeführung) und deren Einfluss auf die Kaltrissbildung untersuchen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die hier verwendeten Stähle bei entsprechender schweißtechnischer Verarbeitung und unter kontrollierten Umgebungsbedingungen technisch rissfrei verarbeiten lassen.
In den durchgeführten Schweißversuchen traten Werkstoffschädigungen vornehmlich unter Verwendung des wasserstoffhaltigen Schutzgases auf. Zudem ließ sich für alle Schweißversuche feststellen, dass sich die Mehrlagentechnik in den hier verwendeten Werkstoffen positiv auf die Reduktion der Wasserstoffkonzentration auswirkt und diese nach Abkühlung auf Raumtemperatur schon deutlich reduziert wurde. Dies wirkt sich hinsichtlich der Wasserstoffkonzentration positiv auf die Vermeidung der wasserstoffunterstützten Kaltrissbildung aus. Die Studie zeigte zudem, dass zur Optimierung der Mindestwartezeiten bis zur zerstörungsfreien Prüfung der Schweißnähte sowohl experimentelle als auch numerische Methoden zu kombinieren sind.
Veröffentlichung:
2021
Autoren:
Prof. Dr.-Ing. habil. T. Böllinghaus