Beschreibung
P477 – Untersuchungen zum Crashverhalten geklebter und hybridgefügter Stahlblechverbindungen
Das Forschungsvorhaben hatte das Ziel, entsprechend dem Stand der Technik verschiedene Prüfkonzepte vergleichend zu analysieren und aus den Ergebnissen eine praxisrelevante Versuchsmethodik zur sicheren Bewertung des Crashverhaltens von geklebten und hybridgefügten Stahlblechverbindungen zu erarbeiten. Mit dieser Versuchsmethodik sollte dann das Crashverhalten von Stahlblechverbindungen unter Berücksichtigung unterschiedlicher klebspezifischer Randbedingungen ermittelt werden.
Als Grundlage für die Entwicklung einer einfachen Versuchsmethodik wurden umfangreiche Untersuchungen an unterschiedlichen Probenformen durchgeführt, um deren jeweilige Eignung für die Ermittlung von Crash-Kennwerten zur Vorhersage des Bauteilverhaltens zu ermitteln. Die KSII-Schälzugprobe erwies sich als geeignet, Kennwerte unter schlagartiger Belastung mit Aussagekraft für das Bauteil zu ermitteln. Dies gilt insbesondere für Hybridverbindungen,
bei denen das Kleben mit einem mechanischen Fügeverfahren bzw. dem Punktschwei ßen kombiniert wird. Zur Kennwertermittlung für den Fall einer schlagartigen Scherzugbelastung wurde eine einfach überlappte Zugscherprobe ausgewählt.
Auf der Basis der Versuchsmethodik wurden in einem umfangreichen Prüfprogramm mehrere versuchs- und klebspezifische Parameter systematisch variiert, um ihren Einfluss auf das Verhalten der geklebten und hybridgefügten Verbindungen bei hohen Belastungsgeschwindigkeiten zu untersuchen und Hinweise für die konstruktive Auslegung zu erhalten. Zum Einfluss der Prüfgeschwindigkeit wurde festgestellt, dass höhere Dehnraten zu einer Zunahme der Werkstoff-, Klebstoff- und Verbindungsfestigkeiten führen. Der Fügeteilwerkstoff hat nur dann einen großen Einfluss auf das Tragverhalten unter Schälzugbelastung, wenn eine plastische Verformung der Fügeteile auftritt. Im Unterschied zu den quasistatischen Versuchen zeigten die Schälzugversuche bei hoher Geschwindigkeit einen Anstieg der Maximalkraft mit der Blechdicke. Der Einfluss der Temperatur ist bei schlagartiger Belastung noch stärker ausgeprägt als im quasistatischen Fall und muss daher bei der Auslegung berücksichtigt werden. Eine mögliche Reduzierung der Verbindungsfestigkeit durch Alterung konnte unter schlagartiger Belastung in gleicher Größenordnung wie unter quasistatischer Belastung nachgewiesen werden. Zum Einfluss der Fügezonengeometrie wurde unter anderem ermittelt, dass unter quasistatischer wie auch schlagartiger Belastung eine Erhöhung der Fugenfüllung zu einer erhöhten Schälzugkraft führt. Der Einfluss einer geringen Variation der Klebschichtdicke auf die Zugscherfestigkeit kann dagegen vernachlässigt werden.
Die Übertragbarkeit der Untersuchungen wurde durch begleitende Experimente an Z-Profilen sowie Realbauteilen umfassend verifiziert. Hier zeigte sich auch die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Klebstoffe im Vergleich zum konventionellen Punktschweißen. Durch die Kombination von Punktschweißen und Kleben konnte z. B. die bleibende Deformation einer B-Säule um mehr als 25% gegenüber den rein punktgeschweißten Referenzproben reduziert werden. Auch bei einer Verringerung der Schweißpunktanzahl auf ca. 45% der in der Serie eingesetzten Punkte lag die bleibende Deformation bei den kombiniert gefügten Proben noch um 20% niedriger als bei den rein punktgeschweißten B-Säulen.
Bei den mit der KSII-Schälzugprobe ermittelten Kennwerten ergab sich unabhängig von der Variation der Prüfgeschwindigkeit, Fügeteilwerkstoffe, Blechdicke und Fügeteilwerkstoffbeschichtung eine einheitliche Reihenfolge der Bewertung der Klebstoffe. Diese Reihenfolge stimmt mit den Ergebnissen der Bauteilversuche überein. Somit stellt der im Projekt weiterentwickelte, kostengünstige Laborversuch an der Schälzugprobe eine effiziente Methode zur
Beurteilung der Crashtauglichkeit von Klebstoffen dar, wenn das Klebschichtversagen im Bauteil durch schälende Belastung bestimmt wird.
Mit der in diesem Projekt entwickelten Versuchsmethodik wurde die Grundlage für eine einheitliche Bewertung von hochfesten Klebstoffen für den Einsatz in crashbelasteten Stahlfeinblechstrukturen geschaffen. Die damit ermittelten Ergebnisse bilden schon jetzt eine umfangreiche Basis für die konstruktive Auslegung solcher Strukturen und die zukünftige Integration der FE-Simulation von geklebten Verbindungen unter Crashbelastung in den Entwicklungsprozess.
Autoren:
Prof. Dr.-Ing. O. Hahn, Dr.-Ing. J. R. Kurzok, Dipl. Wirt-Ing. M. Oeter, Dr. M. Brede, Dr.-Ing. O. Hesebeck, Prof. Dr.-Ing. K. Dilger, Dipl.-Ing. G. Schmid
Veröffentlichung:
2002